Kulinarik und Folklore im Zillertal: Auf der Suche nach der „Echtheit“

Immer wenn ich den Tunnel ins Zillertal hinter mir gelassen haben fällt alles von mir ab. Der oftmals hektische Alltag in der Stadt. Das Gedränge und Gerase auf der Autobahn, die gar nicht so weit entfernt vom Eingang ins Zillertal liegt. Und doch: Sobald sich das Zillertal vor einen aufbaut, habe ich das Gefühl, dass alles meilenweit und unendlich weit weg ist. Das Zillertal ist für mich Erholung pur. Aber es sieht da nicht nur alles gut aus, sondern das Zillertal schmeckt auch gut. Das muss betont und hervorgehoben werden. Oder etwa nicht? 

Vielleicht hängt aber auch alles, und so mancher Psychoanalytiker würde mir da vielleicht Recht geben, mit meiner Kindheit zusammen. Denn dort wurde ich bereits auf das Zillertal geeicht. Denn immer, wenn mein Vater kochte, der gut aber leider selten kochte, gab es Zillertaler Krapfen. Ein Festessen. Mein damaliges Lieblingsessen. Seither mussten die Zillertaler Krapfen bei jedem Fest sein. Zum Glück sind diese in Tirol sehr weit verbreitet. Aber so richtig damit auseinandergesetzt, dass das Zillertal so manche kulinarische Eigenheit bewahrt hat, habe ich mich erst viel später.

Die Zillertaler Krapfen sind eine regionale Spezialität, die man meines Wissens nach anderswo nicht findet. Auch nicht in ähnlicher Form. Der Geschmack dieser Krapfen ist für mich einzigartig. Auch weil er mich an meine Kindheit erinnert und mich immer mit dem Zillertal als Sehnsuchts-, Flucht- und Genussort verbindet. Einige Familienausflüge ins Zillertal kommen auch noch dazu. Außerdem noch einige Almabtriebe ebendort. Schöne Erinnerungen, die ich auf keinen Fall missen möchte.

Ist im Zillertal alles echter, reiner und authentischer?

Vielleicht sollte ich aber meinen Kindheitserinnerungen misstrauen? Oder besser noch: die rosarote Brille ablegen, die ich aufgrund meiner Kindheitserinnerungen immer wieder aufhabe, wenn ich ins Zillertal komme? Vielleicht sollte ich die Dinge ein wenig klarer und nüchterner sehen? Hatte das Zillertal wirklich seine Eigenheiten bewahrt oder waren die behaupteten Eigenheiten eigentlich nur mir eine Marketing-Masche um Touristen ins Zillertal zu locken? Almhütten, Aprés-Ski und volkstümliche Schlager lassen grüßen.

Vor allem letztere sind ja so echt und authentisch wie die lila Milka-Kuh in der Werbung. Stimmung und Folklore für Touristen, die es nicht besser wissen und auch gar nicht besser wissen wollen. Unterhaltung, Idylle und Natur für ein paar Tage, bevor es wieder in den Arbeits- und Stadtalltag geht. Möglichst viel Idylle, Ehrlichkeit und Gastfreundschaft in möglichst kurzer Zeit. DAS ist (leider) auch das Zillertal, auch wenn es sicherlich noch „authentische“ und „ursprüngliche“ Ort gibt. Und ich aufgrund meiner Kindheitserlebnisse natürlich niemals vollständig mit dem Zillertal brechen werde, komme was wolle.

Vielleicht ist es mit der Kulinarik und dem Essen dort in Sachen Authentizität und Ursprünglichkeit ja ähnlich? Die Begriffe, die bei der Beschreibung der kulinarischen Besonderheiten und Kostbarkeiten im Zillertal verwendet werden machen mich skeptisch. Dort ist von der Heumilch die Rede, die als die reinste Milch bezeichnet wird. Die Herstellung von Heumilch sei die ursprünglichste Form der Milchherstellung. Und natürlich wird auch der Speck auf traditionelle Weise in Handarbeit hergestellt. Die Edelbrände im Zillertal sind darüber hinaus so traditionell und beziehen sich auf die alte, ursprüngliche Kunst des Schnapsbrennen wie nur was. Ursprünglichkeit, Authentizität und Reinheit wohin man blickt.

Bitte versteht mich nicht falsch: Es ist durchaus löblich, dass auf traditionelle Verfahren und Herstellungsweisen gesetzt wird. Und ich vertrete hier auch nicht die Position, dass es egal sei, was man isst. Ich glaube schon, dass man ist was man isst. Und die Heumilch aus dem Zillertal ist mir allemal lieber als eine Milch, die im großen Stil irgendwie im anderswo hergestellt wurde.

Es geht mir vor allem darum zu sagen, dass das alles ein wenig zu gut zusammenpasst. Und eben wie eine Masche wirkt, wie ein „Schmäh“. Was nicht das gleiche wie eine Lüge ist. Aber man darf auch ein wenig misstrauisch sein. Und sich statt dem offensichtlich und konstruierten zu vertrauen ein wenig auf die Suche machen. Denn das authentische und „echte“ Zillertal gibt es natürlich sehr wohl noch. Nur nicht an der Oberfläche und beim Augenscheinlichen. Ein wenig weiter wie bis zur nächsten Aprés-Ski Hütten oder bis zum nächsten Rezept, dass als authentisch angepriesen wird, muss man vermutlich dann doch suchen. Ich musste die „echte Echtheit“ finden. Allein schon meiner Kindheitserinnerungen wegen.

Von daher möchte ich euch, liebe Leserinnen und Leser, fragen: Wo findet ihr die wirklichen Schmankerl und das „echte“ Zillertal? Welche Meinung habt ihr zu der manchmal ein wenig überbordenden Folklore im Zillertal die mehr Schein als Sein ist? Bin gespannt auf eure Kommentare!

Kulinarik und Folklore im Zillertal: Auf der Suche nach der „Echtheit“
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Von in Waldfriede